Tessin Staat Verwaltung |
...
...
Tessin Staat Gemeinden |
Alle Flächen ohne Seeflächen
...
Tessin Staat Geschichte |
Den Endungen der Flurnamen nach zu schliessen, war ursprünglich das Gebiet des Kantons Tessin sowohl von Ligurern (um 1000 vChr.) als auch von keltischen Galliern (um 390 vChr.) bewohnt / später folgten dann die Römer über die Ligurerstrasse in den Sottoceneri und besetzten in den letzten 2 Jh. vChr. sukzessive das gesamte Tessiner Gebiet / das eroberte Gebiet wurde der Stadt Mailand unterstellt / die Römer brachten ihre Sprache, Kultur und Religion sowie ihre staatliche Organisation mit / letztere gewährte weitgehende lokale Selbstverwaltung
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches kamen zuerst die Goten, dann die Byzantiner und beide änderten wenig an der staatlichen Ordnung / in der 2. Hälfte des 6. Jh. stritten sich die Langobarden mit den vom Lukmanier hereinfallenden Franken um die Ländereien südlich des Gotthards / die schliesslich siegreichen Franken blieben und gründeten Kirchen und Klöster
Die drei ambrosianischen Täler (Leventina, Blenio, Riviera) waren zuerst im Besitz der Langobarden / dann gingen sie an die Domherren von Sant'Ambrogio in Mailand über / mit der fernen und milden Herrschaft der unkriegerischen Domherren von Mailand waren die Talbewohner gut bedient / Schwierigkeiten entstanden, weil die als Verwalter beauftragten weltlichen Herren die Täler für sich beanspruchten und Lehensleute einsetzten / Kaiser Konrad III. erklärte 1140 die drei ambrosianischen Täler zur Grafschaft und gab sie den Lenzburgern zu Lehen / diese setzten kaiserliche Vertreter für die Regierungsgeschäfte ein / und diese wiederum bauten die Schlösser Serravalle (Semione) und Curterio (Torre) / die Talbewohner empfanden es als Tyrannei und zerstörten sie kurz darauf wieder / inzwischen hatten in Mailand die Visconti (1277) die Macht ergriffen und liessen sich nach Eroberungskriegen Mitte des 14. Jh. von den Domherren die Tessiner Täler abtreten / das Interesse galt vor allem den Alpenübergängen
Als die Eidgenossen im frühen 15. Jh. am Gotthard erschienen, trafen sie auf ein Streben nach Selbständigkeit bei den Leventinern / die aus geographischen Gründen am meisten interessierten Urner fielen 1403 in die Leventina ein und vertrieben die Visconti / um sich Rückhalt gegen die herzogliche Macht aus Mailand zu verschaffen, schlossen die Leventiner 1411 ein Burg- und Landrecht mit Uri und Obwalden / doch Filippo Maria Visconti verteidigte sein Recht / und er liess die 3 Kastelle: Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro erstellen / ebenso die Umfassungsmauer der Stadt, Wehrtürme und die grosse Schutzmauer 'Murata' / all dies ein Ausbau der bereits von den Römern errichteten Sperrfeste Bellinzona / bei Arbedo vertrieben die Visconti die Eidgenossen (1422) / diese verloren alle ihre ennetbirgischen Gebiete wieder
Mitte des 15. Jh. tobten italienische Kriege um das Herzogtum Mailand / dabei waren die Schweizer Söldner (Reisläufer) kriegsentscheidend / Uri nutzte die Gelegenheit und besetzte das Tal 1439 erneut und hinterliess in Bellinzona eine Befestigung / im Frieden von 1441 erhielt Uri die Leventina verpfändet / mit Hilfe der Leventiner Bevölkerung gelang es ihnen 1478, die herzoglichen Anhänger bei Giornico zu schlagen / Mailand verzichtete nach der Niederlage bei Giornico auf das Valle Leventina / die Leventiner genossen als Schutzbefohlene Uris weitgehende Autonomie / sie unterstanden einzig dem urnerischen Landvogt, der sich der Bevölkerung gegenüber sehr kulant zeigte und sich ausserdem nicht ständig im Tal aufhielt
Wenige Jahre später (1495-96) besetzten die Urner auch das Bleniotal und die Riviera bis vor die Tore von Bellinzona / vom französischen König erhielten sie 1500 für erwiesene Dienste Bellinzona / während des Krieges gegen den französischen Monarchen an der Seite des Papstes besetzten sie Locarno, Lugano, Mendrisio und das Maggiatal / in der Zeit von 1496-1516 eroberten die Eidgenossen das ganze Tessin
Die Herrschaft der Eidgenossen dauerte fast 3 Jh. / die Leventina war eine nur urnerische Landvogtei / das Bleniotal, die Riviera und Bellinzona gehörten den 3 Urkantonen / Locarno, das Maggiatal, Lugano und Mendrisio den 12 Alten Orten / ohne Appenzell, weil dieses erst nach der Eroberung zur Eidgenossenschaft kam / der Kanton Tessin war also 3 Jh. lang Untertanengebiet der Urschweiz / ennetbirgische (jenseitige) Vogteien nannten die Urschweizer ihre Untertanengebiete jenseits des Gotthards, die sie dem Herzogtum Mailand entrissen hatten / diese 8 Vogteien blieben voneinander abgesondert / die Urschweizer gewährten ihnen grosse Freiheiten und Selbstverwaltung / sie durften im wesentlichen das Gewohnheitsrecht zur Zeit der Übernahme aufrechterhalten
Das Hospiz auf der nördlichen Seite der Wasserscheide wurde von Patres aus dem Erzbistum Mailand betrieben / in deren Gefolge brachen dann Hirten aus der Leventina in die Weidegründe nördlich der Passhöhe ein und liessen sich von den Urschnern nicht mehr vertreiben / deshalb liegt die Grenze nicht auf der Wasserscheide, sondern einige km talabwärts
Der Namensgeber des Alpenüberganges ist der Hl. Godehard von Hildesheim [Bayern, D], einer der bedeutendsten Heiligen des Mittelalters / der Kirchenmann lebte von 960-1038 / bei Passau [D] an der Donau geboren, war er später Bischof von Hildesheim und wurde 1131 als erster Bayer heiliggesprochen / die Spuren seiner Verehrung jedenfalls reichen von Italien und Kroatien bis nach Skandinavien / zahlreiche Kirchen und Ortschaften sind nach ihm benannt und so auch der Gotthardpass / 1230 weihte ein Mailänder Erzbischof eine neue Kapelle dem Hl. Gotthard
Die Festung Serravalle auf einem Felsrücken im Bleniotal lag genau auf der Konfliktlinie der deutschen Kaiser und ihrer Gegner aus Norditalien / es war die Zeit des grossen Streites zwischen Kaiser und Papst und das Bleniotal stand als Hoheitsgebiet der Mailänder Domherren natürlich bei den Papsttreuen / der deutsche Kaiser Friedrich I. Barbarossa war für seine Eroberungspläne auf die Alpenübergänge angewiesen / so stürmte er 1176 die Burg Serravalle und verlor sie wieder / dann folgten mailandtreue Adelige / 1402 erhoben sich die Talleute, erschlugen die Feudalherren und zerstörten den Mailänder Vorposten
Schon die Römer haben die Wichtigkeit der Schlüsselposition Bellinzona erkannt und hier Befestigungen angelegt / als Tor zwischen Nord und Süd war der Ort immer wieder Anlass zu Streitigkeiten / Mailänder Herzöge bauten im 15. Jh. in Bellinzona ein Bollwerk zum Schutz gegen Eindringlinge aus dem Norden / nämlich die drei Burgen Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro / die Wehranlage diente als Talsperre am südlichen Ende der Pässe Nufenen, St. Gotthard, Lukmanier und San Bernardino, alles damalige Saumpfade / die gesamte Wehranlage war immer wieder umkämpft / 1503 überliessen Frankreich und Mailand im Frieden von Arona die Vogtei Bellinzona den Orten Uri, Schwyz und Nidwalden / 1803 gingen die Burgen in den Besitz des neu gegründeten Kantons Tessin über
In der 2. Hälfte des 12. Jh. wanderten die Walser aus dem italienischen Val Formazza in das Maggiatal ein / Bosco Gurin ist heute noch eine reine Walsersiedlung / ursprünglich gehörte das Maggia- und auch das Verzascatal zum Kreis Locarno / die Talleute strebten jedoch nach grösserer Selbständigkeit / als der Herzog Gian Galeazzo Visconti starb, trennten sich die Täler von Locarno und gaben sich eine eigene Verwaltung / trotz einigen politischen Wirren um den Besitz der Täler behielten diese ihre Selbständigkeit / dies blieb auch unter den Eidgenossen so, die sich 1513 in den beiden Tälern festsetzten und sie bis zur Französischen Revolution als ennetbirgischen Besitz unterwarfen
Der Malcantone und der Sottoceneri waren bis ca. 1500 unter der Herrschaft der Bischöfe von Como und Mailand / der Fluss Tresa bildete die Grenze zwischen den zwei Herrschaften / Schlachten und Kriege zwischen den beiden Parteien beidseitig der Tresa waren häufig / die Gegend des Malcantone war damals Ein- und Ausfallstor zwischen Italien und der Eidgenossenschaft / 1510 passierten 6'000 Schweizer den Fluss Tresa, um an der Schlacht von Marignano teilzunehmen / mit dem Bau des Staudammes von Melide wurde der ganze Nord-Süd-Verkehr Richtung Chiasso und Como umgeleitet / 1500 - 1803 war die Gegend Untertangebiet der Schweizerischen Landvögte
Das Tessin wurde 1798 durch die Schaffung der «Einen und Unteilbaren Helvetischen Republik» nach französischem Muster von der Herrschaft der Eidgenossen befreit / es wurde in 2 Kantone geteilt: Lugano (Sottoceneri, Locarno und Maggiatal) sowie Bellinzona (Bellinzona und die oberen Täler) / die folgenden 5 Jahre waren in der ganzen Schweiz von Kämpfen zwischen Föderalisten und Unitariern gezeichnet / mit seiner Mediationsakte beschloss Bonaparte dem Problem Schweiz beizukommen / er schuf 1803 den Bund der 19 Kantone / das ganze Gebiet südlich des Gotthard wurde als ein Kanton mit einer eigenen Verfassung und einem eindeutigen Rechtsstand geführt und ihm der Name Tessin zugeteilt
Nach dem Sturz Napoleons 1814 forderten die alten Herren ihre einstigen Gebiete zurück / unter anderem beanspruchte Uri wieder die Leventina / es kam zu Unruhen und Gewalttaten, bis die in Zürich versammelte Tagsatzung den Urnern einen Riegel schob / der Kanton Tessin behielt seine Unabhängigkeit, war aber das ganze Jh. mit Verfassungskämpfen beschäftigt / es begann gleich 1814 mit einer repräsentativen, aber die aristokratische Minderheit begünstigenden Konstitution / Bellinzona, Locarno und Lugano wurden abwechselnd für je 6 Jahre Kantonshauptstadt / die neue Regierung sah sich aber einem Berg von Problemen wie einer leeren Staatskasse aber einem aufgestauten Nachholbedarf gegenüber / der Aufbau eines Verkehrsnetzes, des Schulwesens und einer adäquaten Administration war nur mit einer Schuldenwirtschaft zu bewältigen / zudem fielen nach der Errichtung des Bundesstaates 1848 auch die bisher den Kantonen vorbehaltenen Zölle weg
Der Kanton Tessin wehrte sich dagegen und lehnte die Bundesverfassung ab / besonders litt das Tessin darunter, dass die schweizerische Wirtschaftspolitik vom Mittelland bestimmt wurde und keinerlei Rücksicht auf die Randkantone nahm / erschwerend kam hinzu, dass die Betreiber der Gotthardbahn ab Inbetriebnahme 1882 in ihrer Tarifpolitik Bergzuschläge verlangten / so entstand eine wirtschaftliche Schranke zwischen dem nördlichen Landesteil und der Südregion und diese Schranke fiel erst 1943 / das Ganze fiel deshalb so schwer ins Gewicht, weil das geeinte Italien Schutzzölle einführte und so die gegen Süden orientierte Tessiner Wirtschaft ihrer traditionellen Absatzgebiete beraubte
1830 erzwangen die Liberalen eine Verfassungsrevision / dennoch herrschte schon bald wieder eine korrupte Gewaltherrschaft / 1839-73 hatten die Liberalen die Oberhand / wegen starker Differenzen zwischen klerikal und antiklerikal Gesinnten, zwischen Radikalen und Konservativen, kam es in dieser Zeit zu mehreren blutigen Zusammenstössen und bewaffneten Interventionen von Bern / 1878 wurde Bellinzona alleinige Hauptstadt / ab 1892 galt eine neue Verfassung mit Verhältniswahlen
Am Sonderbundskrieg 1847 nahm der radikale Kanton Tessin auch teil / er stand an der Tagsatzung immer auf Seiten der Radikalen / dies ist nur scheinbar ein Widerspruch für den katholischen Kanton / denn die Auseinandersetzung war nicht in erster Linie eine konfessionelle / als der Krieg ausbrach, stellte sich das Tessin mit seinen Truppen in der Leventina auf / es musste im November in Airolo eine schwere Niederlage einstecken / die Urner kamen durch die Tremolaschlucht herunter, überraschten die Tessiner und zwangen sie zu einem Rückzugsgefecht / bis sie vor den Toren von Bellinzona bei der Brücke über die Moesa einen Wall errichten konnten
Im 5. Jh. wurde das Gebiet des Tessin christianisiert / Mailand und Como waren abwechselnd die zuständigen Bistümer / in der 1. Hälfte des 16. Jh. erfassten, von der Lombardei herkommend, neue religiöse Ideen auch das Gebiet des Tessin / besonders in Locarno, wo sich ihr einige der besten Familien anschlossen / eine verhängnisvolle, lähmende Entzweiung in der Stadt war die Folge / die Bischöfe von Mailand und Como, denen die Tessiner Kirchgemeinden unterstanden, leisteten grossen Einsatz bei der Unterdrückung der Reformation (1555-76) und die Gegenreformation bekam Aufwind / ein eidg. Schiedsspruch verlangte den Auszug der reformierten Locarneser / und mit diesen Personen zog der grösste Teil der Seidenindustrie aus Locarno für immer weg
Das Tessin hing seit Jahrhunderten auf unterschiedliche Arten von den Bistümern Como und Mailand ab / zudem war die Politik sehr oft kirchenfeindlich / zwar hatte schon damals die Idee von einem unabhängigen Tessiner Bistum bestanden, doch die radikale lokale Regierung wollte das Tessin von den lombardischen Bistümern trennen / um es an eines jenseits der Alpen anzugliedern, am liebsten an Chur / dies schien die schweizerischste Lösung, die auch der Bundesrat unterstützte / doch die Verhandlungen mit dem Papst zeitigten keine Ergebnisse
Nun brachte die konservative Tessiner Regierung beim Bundesrat erneut dieses Anliegen vor / nach längerem Schweigen kam von Bern endlich die Antwort: Nein zur eigenen Diözese / das hiess also hin zu derjenigen von Chur / unverzüglich sandte der Staatsrat 1883 zwei Vertreter nach Rom mit dem Anliegen, man möchte ein provisorisches Vikariat bilden / Rom stimmte zu, dann auch Bern, wo zu jener Zeit die gemässigten Töne des Bundesrates Welti vorherrschten / in Bern schlug Martino Pedrazzini für das apostolische Vikariat den Monsignore Eugenio Lachat vor / der nach den Wirren des Kulturkampfes seinen Bischofssitz in Basel verlassen musste / dieser Vorschlag wurde angenommen / der Vatikan, der seit einigen Jahrzehnten mit der Eidgenossenschaft keine Beziehungen mehr pflegte, sandte einen hervorragenden Diplomaten, den Monsignore Domenico Ferrata und man einigte sich bald
Monsignore Lachat übernahm als erster die apostolische Administratur im Tessin / leider starb er bald darauf Ende 1886 / Monsignore Vincenzo Molo war sein Nachfolger / eine Konvention legte im März 1888 fest, dass die Kollegiatskirche San Lorenzo von Lugano zur Kathedrale für den ganzen Kanton wurde / und in den Rechtsstand derjenigen von Basel erhoben wurde / deren Bischof von nun an den Titel Bischof von Basel und Lugano trug / Rom setzte an die Spitze des Sprengels Lugano einen apostolischen Administrator mit bischöflichen Rechten ein / der aus den Reihen der Tessiner Geistlichen zu wählen war
Die Täler Blenio, Leventina und Riviera blieben bis 1888 beim Bistum Mailand / Zentrum dieser 3 ambrosianischen Täler (Sant' Ambrogio in Mailand) war Biasca und dessen Stiftskirche Santi Pietro e Paolo deren Mutterkirche
...